
Ich erinnere mich an viele herausfordernde Schichten, schlaflose Nächte und Momente, in denen ich mich fragte: Geht das nicht anders? Die Pflegebranche steht vor massiven Herausforderungen: Fachkräftemangel, steigende Belastung und die ständige Gratwanderung zwischen Beruf und Privatleben. Doch es gibt Lösungen. Flexible Arbeitszeitmodelle sind eine davon.
Ich habe in verschiedenen Pflegeeinrichtungen und Spitälern gearbeitet und zahlreiche Arbeitszeitmodelle erlebt. Manche waren starr, manche innovativ. Heute bin ich überzeugt: Wir brauchen mehr Flexibilität, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Deshalb stelle ich hier fünf Modelle vor, die nicht nur die Belastung reduzieren, sondern auch neue Chancen für uns Pflegekräfte schaffen.
1. Teilzeitmodelle: Weniger Stunden, mehr Lebensqualität
Ich erinnere mich an eine Kollegin, die nach der Geburt ihres Kindes unbedingt wieder in ihren Beruf zurückkehren wollte. Eine 100-Prozent-Stelle war für sie jedoch undenkbar. Dank eines flexiblen Teilzeitmodells konnte sie vier Tage pro Woche arbeiten – eine Lösung, die es ihr ermöglichte, Beruf und Familie zu vereinen. Im Spital Wetzikon wurde nach Annahme der Pflegeinitiative ein Pilotprojekt mit einer Vier-Tage-Woche eingeführt. Leider wurde es nicht weitergeführt, da es mit der aktuellen Spitalfinanzierung nicht tragbar war. Ich fand diese Entscheidung mutig, auch wenn ich selbst damals meine Arbeitsstelle wechselte, um mehr zu verdienen und gleichzeitig mehr Freizeit zu haben. Teilzeitarbeit in der Pflege bedeutet nicht nur eine Reduktion der Wochenstunden, sondern auch eine nachhaltige Entlastung:
- Mehr Erholungsphasen, die zu einer höheren Arbeitszufriedenheit führen
- Attraktiver für Berufseinsteiger:innen und Wiedereinsteiger:innen, die nicht in Vollzeit arbeiten können
- Weniger Krankheitsausfälle durch reduzierte Überlastung
- Bessere Vereinbarkeit mit der Pflege von Angehörigen oder Kinderbetreuung
Studien zeigen, dass flexible Arbeitszeiten die Arbeitszufriedenheit von Pflegekräften erhöhen und damit die organisationale Resilienz beeinflussen können[1][4]. Teilzeitarbeit in der Pflege kann die physische und psychische Belastung signifikant verringern, wie eine Umfrage des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe aus dem Jahr 2019 ergab[5].

2. Jobsharing: Zwei Pflegekräfte, eine Stelle
Einer der inspirierendsten Ansätze, die ich erlebt habe, war das Jobsharing. Zwei Fachkräfte teilen sich eine Vollzeitstelle. Eine Kollegin musste aus gesundheitlichen Gründen ihre Stunden reduzieren, wollte aber nicht aus dem Beruf aussteigen. Sie teilte sich ihre Stelle mit einer anderen Pflegefachkraft, die aus familiären Gründen nicht in Vollzeit arbeiten konnte. Gemeinsam bildeten sie ein starkes Leitungsteam – und es funktionierte hervorragend.
Die Vorteile:
- Erhalt von Expertise: Zwei Köpfe bringen verschiedene Stärken ein.
- Bessere Patientenbetreuung: Durch abgestimmte Übergaben bleibt die Betreuung konstant.
- Entlastung und Zufriedenheit: Besonders für Eltern oder Fachkräfte mit gesundheitlichen Einschränkungen.
- Weniger Fluktuation: Mitarbeitende binden sich langfristiger an den Arbeitsplatz.
3. Gleitzeit mit Kernarbeitszeiten
Ich habe es genossen, wenn ich meine Schichten flexibler gestalten konnte. Gleitzeitmodelle mit festen Kernarbeitszeiten bieten mehr Gestaltungsspielraum. Momentan sind diese Zeiten in vielen Spitälern auf maximal 30 Minuten begrenzt. Ein grösserer Spielraum von ein bis zwei Stunden wäre hilfreich, um die Kernarbeit – wie Visiten und Übergaben – abzudecken, während der restliche Arbeitstag flexibler gestaltet werden kann.
Das bringt Vorteile wie:
- Weniger Stress beim Pendeln
- Bessere Vereinbarkeit mit privaten Terminen
- Höhere Produktivität durch individuelle Hochleistungszeiten
- Digitale Unterstützung zur flexiblen Zeiterfassung
Forschungsergebnisse zeigen, dass die Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle in der stationären Langzeitpflege sowohl Potenziale als auch Herausforderungen mit sich bringt[4]. Eine offene Kommunikationskultur und technische Unterstützung sind dabei entscheidend für den Erfolg solcher Modelle[7].

4. Springer/pool-Modell: Flexibilität mit System
Eine der spannendsten Lösungen ist das Springer/pool-Modell. Anfangs übernahmen temporäre Büros diese Funktion, später etablierten sich feste Springer-Teams in Spitälern. Pflegekräfte, die nicht an eine feste Station gebunden sind, können flexibel eingesetzt werden und Lücken im Dienstplan füllen.
Das bedeutet:
- Bessere Planbarkeit bei kurzfristigen Personalausfällen
- Interessante Möglichkeit für Studierende oder Rentner:innen
- Entlastung des Stammpersonals
- Abwechslung durch Einsätze in verschiedenen Bereichen
Ich kenne Pflegekräfte, die bewusst als Springer arbeiten, weil sie die Vielseitigkeit lieben. Wer gerne in verschiedenen Teams und Bereichen tätig ist, findet hier eine spannende Alternative zur festen Anstellung.

5. Freiberufliche/Privatspitex-Einsätze: Pflege mit mehr Eigenverantwortung
Nicht alle Pflegekräfte möchten im Schichtdienst arbeiten. Die ambulante Pflege bietet hier neue Möglichkeiten. Einige meiner Kolleg:innen sind auf selbstständige Spitex-Dienste umgestiegen, um ihre Zeit flexibler einteilen zu können.
Die Vorteile:
- Flexible Zeiteinteilung durch individuell planbare Termine
- Keine klassischen Schichtdienste
- Digitale Dokumentation unterwegs minimiert Papierkram
- Stärkere Bindung zu den Patient:innen durch längerfristige Betreuung
Warum wir diese Modelle brauchen
Flexible Arbeitszeitmodelle sind kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Die Pflegebranche kann es sich nicht leisten, auf starre Strukturen zu setzen, wenn wir langfristig Fachkräfte halten und gewinnen wollen.
Hier einige Zahlen:
- 34 % weniger Burnout-Risiko bei flexibleren Arbeitszeiten
- 17 % höhere Mitarbeiterbindung
- 23 % mehr Produktivität durch individuelle Arbeitszeiten
- 41 % mehr Bewerbungen bei flexiblen Modellen

Kleine Schritte, grosse Wirkung
Nicht jedes Spital oder jede Pflegeeinrichtung kann von heute auf morgen ihre Arbeitszeitmodelle revolutionieren. Aber erste Schritte sind wichtig: Digitale Dienstplan-Tools, Pilotprojekte und ehrliche Gespräche mit den Mitarbeitenden können helfen.
Die Pflege ist ein harter, aber auch wunderbarer Beruf. Ich bin überzeugt, dass wir mit flexibleren Arbeitsmodellen eine bessere Zukunft schaffen können – für uns Pflegekräfte und für unsere Patient:innen.
Welche flexiblen Arbeitszeitmodelle habt ihr erlebt? Welche Ideen würden euch helfen, euren Beruf besser mit eurem Privatleben zu vereinbaren? Ich freue mich auf eure Gedanken.
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