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Ich begegnete Noemi an einem Donnerstagnachmittag, wie man ihn auf einer hämatologischen Station dutzendfach erlebt und gleichzeitig niemals wirklich routiniert. Ich war gerade auf dem Weg zum Materialraum, als ein Klingelton aus Zimmer 17 mich erreichte. Ich öffnete die Tür und sagte meinen Standardsatz, der sich im Lauf der Jahre in meinem Beruf eingeprägt hat: Guten Tag. Wie kann ich behilflich sein.

Noemi lag halb aufgerichtet im Bett. Blass, schmal, ein feiner Schweissfilm auf der Stirn. Dieser besondere Ausdruck, den man als Pflegefachperson sofort erkennt, eine Mischung aus körperlichem Kampf und klarem Bewusstsein. Ihre Atemzüge waren kurz und eng, als müsste jeder einzelne durch ein Nadelöhr. Mir ist übel, sagte sie. Auf einer Skala von eins bis zehn bin ich bei acht.

Ein Blick auf den Infusionsständer genügte. Laufende Chemotherapie, die den Körper zerstört, um ihn neu aufzubauen. Eine Übelkeit dieser Stärke war ein Warnsignal. Ich reagierte instinktiv. Ich lief ins Medikamentenzimmer, prüfte die Verordnung, suchte ihr Reservemittel, bereitete es vor, ging zurück, verabreichte es und dokumentierte jeden Schritt. Danach blieb ich noch einen Moment, um sicherzugehen, dass sie keine weiteren Fragen hatte und alles vorerst stabil war.

Auf dem Gang traf ich ihre Bezugspflegefachperson. Sie ist ganz eine Liebe, sagte sie. Und so jung, ergänzte ich. Damals wusste ich, wie intensiv die kommenden Wochen werden würden, aber nicht, dass diese junge Frau zu meiner Lieblingspatientin werden sollte.


Der lange Weg durch Therapie und Komplikationen

Die Induktion und die darauffolgenden Wirkungen und Nebenwirkungen dauerten fünf Wochen. Doch Noemis Weg führte über Monate immer wieder durch unser Spital. Eine akute myeloische Leukämie macht aus Menschen keine Patientinnen im klassischen Sinn. Sie macht sie zu Reisenden zwischen Alltagswelt und medizinischer Realität.

Manchmal kam sie wegen Kontrollterminen. Oft wegen Komplikationen, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust, Müdigkeit, die so schwer war, dass schon das Sitzen eine Leistung wurde. Und meistens wegen Infektionen, klein begonnen, gross eskaliert und immer gefährlich. Leukämie ist kein linearer Weg. Keine Heldengeschichte. Sie ist ein Labyrinth mit Sackgassen und Wendungen, die keiner Logik folgen.

Einige Patientinnen tauchen zwischen ihren Therapiezyklen ab und melden sich erst wieder, wenn es nicht anders geht. Andere verlieren sich in der Krankheit. Und dann gibt es jene, die trotz allem präsent bleiben und in Verbindung bleiben, weil sie verstanden haben, dass professionelle Begleitung eine Art Anker sein kann. Noemi war eine von ihnen.

Mit jedem Aufenthalt sprachen wir eine klarere Sprache miteinander. Nicht im privaten Sinn, sondern im klinischen, präzisen, effizienten. Sie begann, ihre Symptome so zu beschreiben, wie wir es in Lehrbüchern idealisieren und im Alltag nur selten erleben.

Sie sagte keine vagen Sätze

 wie mir geht es nicht gut.

Sie sagte Stechender Schmerz, linker Unterbauch, sechs von zehn, seit zwei Stunden.

Sie sagte nicht ich kann nicht mehr.

Sie sagte Ich schaffe es heute nicht allein aufs WC. Essen probiere ich trotzdem.


Die gemeinsame Sprache, die alles veränderte

Diese Sprache veränderte den gesamten Behandlungsverlauf. Sie gab uns Geschwindigkeit. Sie gab uns Richtung. Sie gab uns Sicherheit. Nach ein paar Monaten wusste sie fast intuitiv, was wir jeden Morgen wissen mussten. Sie wog sich selbst und schrieb das Resultat an die Wandtafel. Sie notierte, ob sie Stuhlgang hatte, wie stark ihre Übelkeit war und ob Fieber im Anflug war. Ihre Tafel wurde zu einem präzisen Tagesprotokoll und zu einem Symbol ihrer Haltung. Sie kämpfte nicht nur gegen die Krankheit. Sie kämpfte mit uns.

Ich wusste bald, was bei ihr funktionierte. Welche Vene eine Blutentnahme überstand. Welche Speise an Übeltagen möglich war. Welche Medikamente sie vertrug. Und ich wusste, wofür sie kämpfte. Für ihre Schwester. Für ihren Freund, der vier Stunden Zug fuhr, nur um zwei Stunden bei ihr zu sein. Für die Reiseziele, von denen sie während der Chemotherapien sprach, Japan zur Kirschblüte, Island mit dem Wind im Gesicht, Neuseeland mit Ruhe statt Angst im Brustkorb.

Ich erlaubte mir seltenes, vorsichtiges Neckischsein. Nach deinem Studium kommst du zu uns arbeiten, sagte ich. Du kennst unsere Abläufe jetzt besser als manche Praktikanten. Sie lachte. Ein echtes, stilles Lachen, das den Raum heller machte.


Nächte, die man nicht vergisst

Doch eine AML ist unerbittlich und in manchen Nächten grausam. Eine Szene hat sich tief eingeprägt. Noemi entwickelte innerhalb von Minuten hohes Fieber, 39.8 Grad, Schüttelfrost, ein Zittern, das durch die Decken drang. Ihre Lippen waren etwas bläulich, ihre Hände eiskalt. Wir mussten sie isolieren. Ich erinnere mich an ihre Haltung, wie sie auf dem Bett sass, die Knie angezogen, den Blick auf einen Punkt irgendwo auf dem Boden gerichtet. Ich fühle mich, als würde mein Körper mich verlassen, sagte sie. Keine Dramatik. Nur Wahrheit.

Wir legten neue Zugänge, nahmen Blutkulturen ab und starteten Antibiotika. Wir arbeiteten konzentriert, schnell, routiniert und gleichzeitig mit dem Wissen, dass dies einer jener Momente war, in denen die Krankheit versucht, sich Raum zu nehmen. Sie weinte in dieser Nacht. Leise. Nicht verzweifelt, nicht klagend. Es waren Tränen, die einfach fielen, weil sie fallen mussten. Für mich war das einer der Momente, in denen man die Würde eines Menschen nicht in seinem Mut sieht, sondern in seiner Ehrlichkeit.

Als sie später in die Reha wechselte, war das kein Happy End. Aber es war ein Übergang. Ein Schritt heraus aus den engen Rhythmen von Infusionen, Alarmen, Laborwerten und den immer gleichen Routinen. Sie sagte Ich will reisen. Ich will dokumentieren, was ich sehe. Nicht für Likes. Für mich. Damit ich weiss, dass ich zurück im Leben bin. Ich sah sie in diesen Worten lebendig werden, nicht körperlich, aber geistig, als ob sie schon einen Fuss auf japanischem Boden hatte, noch bevor sie das Spital verliess.


Menschliche Kompetenz – das Fundament guter Behandlung

Heute, wenn ich an Noemi denke, sehe ich nicht mehr die junge Frau aus Zimmer 17, schweissnass, blass, kämpfend. Ich sehe eine Person, die durch ihre Haltung Raum geschaffen hat – Raum für Vertrauen, für professionelle Nähe, für echte Zusammenarbeit mitten im Ausnahmezustand. Nicht, weil sie „tapfer“ war, sondern weil sie etwas bewahrt hat, was in der Akutmedizin oft schleichend verloren geht:

ihre Kompetenz als Mensch. Die Fähigkeit, sich auszudrücken. Zu beschreiben, was sie braucht. Zu sagen, was weh tut und wo Grenzen liegen. Die Fähigkeit, sich nicht auf „Patientin“ reduzieren zu lassen, sondern als Person sichtbar zu bleiben.

Genau diese menschliche Kompetenz verändert die Behandlung. Sie macht Therapie sicherer. Sie macht Pflege präziser. Sie lässt uns Ärztinnen, Pflegende und Therapeutinnen besser handeln – weil wir verstehen, wen wir vor uns haben und was dieser Mensch in diesem Moment wirklich braucht.

Ihre Geschichte ist nicht abgeschlossen. Noemi kommt weiterhin regelmässig auf die Station: für Therapien, für Kontrollen, manchmal für Infekte, die wir inzwischen schneller erkennen. Manchmal bringt sie ein Lächeln mit. Manchmal Erschöpfung. Manchmal einfach Stille. Und jedes Mal entsteht dieselbe Mischung aus Sorge, Respekt und dieser leisen, tiefen Freude, die nur entsteht, wenn man einen Menschen wieder sieht, dessen Weg man ein Stück weit mitgetragen hat.

Ich wünsche ihr, dass sie eines Tages unter Kirschblüten steht, oder vor einem Vulkan, oder einfach irgendwo sitzt und tief einatmet – ohne Angst. Aber noch mehr wünsche ich ihr, dass sie das behalten kann, was sie durch all diese Monate getragen hat: ihre Fähigkeit, Mensch zu bleiben, auch in der Krankheit.

Denn genau das ist es, was uns im Spital hilft, unsere Arbeit gut zu machen. Nicht perfekte Werte. Nicht Heldengeschichten.

Sondern Menschen, die sich zeigen  klar, verletzlich, aufrichtig. Menschen wie Noemi.

 


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Letzten Monat war ich zum Let’s Care Symposium am Universitätsspital Zürich eingeladen und ich hätte nicht gedacht, dass dieser Tag meinen Blick auf unseren Beruf so deutlich verändern würde.

Ein herzliches Dankeschön an das Zentrum Klinische Pflegewissenschaft für die Einladung und die beeindruckende Organisation.


Ich ging hin mit der Erwartung eines typischen Fachtags: ein paar Präsentationen, bekannte Gesichter, ein Austausch, den man so oder ähnlich schon erlebt hat.

Was ich bekam, war etwas völlig anderes.

Schon in den ersten Minuten wurde klar, dass hier nicht einfach diskutiert wurde   hier wurde entwickelt. Das Symposium war kein theoretischer Raum, sondern ein lebendiger Einblick in die Zukunft der Pflege. Der Saal war gefüllt mit Pflegefachpersonen, APNs, Forschenden, Leitungspersonen und Menschen, die sich in ganz unterschiedlichen Rollen für dieselbe Sache einsetzen: Pflege weiterbringen.

Und genau das wurde sichtbar.

 

Ein Tag voller Impulse und voller Realität

 

Es gab Präsentationen zu neuen digitalen Flagging Systemen, verbesserten Arbeitsprozessen, universellen Modellierungsansätzen, Evidence to Action Konzepten und Simulationstrainings direkt aus dem Alltag. Das Beeindruckende daran:Das waren keine Folienphantasien.Das waren Lösungen, die in echten Situationen entstanden sind   dort, wo Komplexität, Zeitdruck und Verantwortung aufeinandertreffen.

Ich merkte, wie ich innerlich zwischen Staunen und Nachdenklichkeit pendelte. Staunen über das, was alles möglich ist. Nachdenklichkeit darüber, wie selten wir im Stationsalltag den Raum haben, diese Entwicklungen bewusst wahrzunehmen.

 

Die Podiumsdiskussion und die Erkenntnis der zwei Uhren

 

Am Ende des Tages war ich Teil der Podiumsdiskussion zu Innovation, Digitalisierung und natürlich zum Fachkräftemangel. Die Diskussion war ehrlich, direkt und vielschichtig. Und genau dort wurde mir eine Wahrheit wieder scharf bewusst:

 

In der Pflege arbeiten wir auf zwei unterschiedlichen Uhren.

 

Die Stationsuhr:Sie tickt schnell.Wir brauchen Lösungen jetzt.Für diese Schicht.Diese Patienten.Diese Belastung.

Die strategische Uhr:Sie tickt langsam   und muss langsam ticken.Sie denkt in Strukturen, Prozessen, Konzepten.Sie baut, testet, korrigiert, erneuert.Sie plant für morgen, übermorgen und für die nächsten Jahre.

Beide Uhren sind wichtig.Beide Uhren sind richtig.Aber beide Uhren verstehen einander zu selten.

Von der Station aus wirken Strategien manchmal weit weg.Von der Strategie aus wirken Stationsrufe nach Entlastung manchmal „zu kurzfristig“.

Und genau da entsteht die Spannung, die alle spüren, aber kaum jemand ausspricht.

 

Was ich persönlich mitgenommen habe

 

Auf dem Heimweg wurde mir klar, wie stark dieses Spannungsfeld unsere tägliche Zusammenarbeit prägt   und wie oft wir daran reiben, ohne dass es wirklich benannt wird.

Und gleichzeitig wurde mir auch klar, was die einzige echte Brücke zwischen diesen beiden Uhren ist:

kontinuierliche Bildung.

Nicht als Kurs.Nicht als Zertifikat.Nicht als Pflichtpunkt in einem Jahresgespräch.

Ich meine professionelle Weiterentwicklung als Haltung.

Kontinuierliche Bildung ist das, was uns ermöglicht:

  • neue Evidenz nicht als Belastung, sondern als Werkzeug zu sehen

  • digitale Tools zu nutzen, statt sie zu fürchten

  • komplexe Situationen zu verstehen, statt davon überrollt zu werden

  • Innovation nicht nur zu hören, sondern umzusetzen

  • neue Rollen zu ergreifen, statt in alten auszubrennen

  • das System zu durchschauen, statt sich ausgeliefert zu fühlen

 

Sie macht den Unterschied zwischen:

 reagieren und reflektieren, funktionieren und gestalten, überleben und vorangehen.

Das ist keine Theorie. Das ist die Praxis jedes einzelnen Tages.

 

Warum ich am USZ arbeite

 

Das Symposium hat mir etwas in Erinnerung gerufen, das ich im Alltag manchmal vergesse: USZ ist einer der wenigen Orte, an denen Innovation, Lernen und Praxis wirklich zusammenkommen.

  • Ideen versanden nicht in Sitzungen.

  • Evidenz bleibt nicht auf Papier stehen.

  • Pflege sitzt nicht am Rand   sie sitzt mitten im Prozess.

  • Bildung ist kein „Zusatz“, sondern Teil der Kultur.

Ich brauche genau so ein Umfeld. Nicht bequem, sondern herausfordernd. Nicht statisch, sondern wachsend. Nicht reaktiv, sondern mitgestaltend.

 

Die unbequeme Wahrheit

 

Wir sind noch lange nicht dort, wo wir hinmüssen. Die Innovationsgeschwindigkeit und der Stationsalltag laufen in zwei Takten. Das erzeugt Druck auf beiden Seiten.

Aber die Lösung ist nicht, eine Seite schneller zu machen oder die andere langsamer.

Die Lösung ist, Pflegefachpersonen kontinuierlich zu befähigen, damit sie beide Welten gleichzeitig verstehen und verbinden können.

Das ist der Sinn von Bildung.Das ist der Kern unserer Professionalität.Und das ist der stärkste Hebel, den wir haben.

 

Mein persönliches Commitment

 

Ich habe das Symposium mit zwei Gefühlen verlassen:

  1. Respekt vor dem, was unsere Kolleginnen und Kollegen entwickeln.

  2. Dringlichkeit, weil die Stationen Entlastung jetzt brauchen.

Beides gleichzeitig zu halten ist unbequem.Aber es ist notwendig.

Und genau deshalb bleibe ich bei meiner Haltung:

Kontinuierliche Bildung ist für mich nicht verhandelbar.

 

Nicht wegen Karriere.Nicht wegen Titel.Sondern weil sie die einzige Möglichkeit ist, diese zwei Uhren zu synchronisieren   so weit es eben möglich ist.

Sie ist unser Anker.Unser Werkzeug.Unser Schutz.Und unser Zukunftspfad.

Sie ist keine Veranstaltung.Sie ist unsere Identität.Und sie ist einer der Gründe, warum ich am USZ arbeite.

Gesundheit ist nie nur Hintergrundrauschen — nicht in Kenia, wo ich aufgewachsen bin, und auch nicht am USZ, wo ich heute arbeite.

In unserer Nachbarschaft in Nairobi gehörte Gesundheit zum Alltag — manchmal still, manchmal schmerzhaft sichtbar. Ich war neun Jahre alt, als eine Meningokokken-Meningitis unsere Schule traf. Es begann harmlos: Kopfschmerzen, Fieber, ein leis­es Flüstern im Klassenzimmer. Innerhalb weniger Tage waren drei meiner Mitschüler tot. Als Kind versteht man Verlust unmittelbar — die Kinder fehlten überall: auf dem Pausenhof, an den leeren Tischen, in der Stille, wo vorher Lachen war.


Dann kam Hoffnung — nicht als Wunder, sondern in kleinen Impfampullen. Gesundheitspersonal kam in die Schule, stellte uns in Reihen auf und impfte uns gegen Meningitis, selbstverständlich mit Erlaubnis der Eltern. Ich erinnere mich an den Geruch des violetten Spiritus, der beim Desinfizieren kühl auf der Haut lag, an das gedämpfte Schweigen. Es war eine schwere Zeit, aber als alle geimpft waren, war das eine Erleichterung: selbst wenn jemand erkrankt wäre, hiess das nicht mehr zwangsläufig Todesurteil. An diesem Tag wurde mir klar: Prävention ist wichtig — die Erkenntnis, dass eine kleine Spritze Leben retten kann, hat sich tief in mein Denken eingeprägt.


Als ich später Pflegefachmann wurde, wurde diese Lektion lauter denn je. Ich sehe täglich, wie Prävention Leben verändert — und rettet. Prävention zeigt sich oft in kleinen, alltäglichen Routinen: regelmässigem Händewaschen vor dem Essen und nach dem Heimkommen, dem gezielten Desinfizieren der Hände in Risikosituationen, rechtzeitigen Schutzimpfungen und einfachen Vorsorgechecks wie der Blutdruckmessung. Auch Hustenetikette, das frühe Erkennen von Fieber oder eine kurze ärztliche Rückfrage bei ungewöhnlichen Symptomen gehören dazu. Diese unscheinbaren Handgriffe verhindern häufig, dass harmlose Beschwerden zu schweren Erkrankungen werden — und summieren sich zu einem erheblichen Schutz für Einzelne und die Gemeinschaft.


Ich habe Menschen gepflegt, deren Leid vermeidbar gewesen wäre: Schlaganfälle nach unbehandeltem Bluthochdruck, Lungenentzündungen bei ungeimpften Seniorinnen und Senioren. Die Wissenschaft bestätigt, was ich in der Praxis sehe: Millionen Leben werden jährlich durch Impfungen und frühzeitige Prävention gerettet. Und doch bleiben viele Menschen ungeschützt — nicht nur, weil Medikamente fehlen oder wegen Skepsis (das möchte ich hier nicht weiter vertiefen), sondern auch weil bürokratische Hürden im Weg stehen.


Ein Beispiel, das ich erfuhr: In der Schweiz darf ein Hausarzt in ein Pflegeheim kommen, um Bewohnerinnen und Bewohner zu impfen — und das ist richtig. Doch qualifiziertes Apothekenpersonal, das geschult, motiviert und verfügbar wäre, darf oft nicht dasselbe tun. Solche Regeln entstanden einst mit guten Absichten, passen aber nicht mehr zur Realität moderner Gesundheitsversorgung. Wenn Bürokratie verhindert, dass Fachpersonal Menschen erreicht, wird sie selbst zur Gesundheitsgefahr. Studien zeigen: Wenn Pflegefachpersonen, Ärztinnen und Apotheker gemeinsam handeln, steigen Impfquoten und Patientensicherheit. Prävention gedeiht dort, wo Systeme Menschen vertrauen — nicht Formularen. Deshalb müssen wir als Politikerinnen und Politiker handeln. Wenn fähige Hände impfen wollen, aber alte Regeln sie bremsen, dann ist das System selbst der Patient, der Heilung braucht.



Mit dem Winter vor der Tür denken viele daran, gesund zu bleiben — gute Ernährung, Bewegung, ausreichend Schlaf. All das ist wichtig. Doch der einfachste und gleichzeitig mächtigste Schutzschild gegen Grippe bleibt die Impfung: eine kleine Geste mit grosser Wirkung für Körper und Gemeinschaft. Eine Impfung schützt nicht nur dich, sondern auch andere: die Grossmutter mit Asthma, den Nachbarn mit Krebs, das Kind mit schwachem Immunsystem. Jede Impfung ist eine mögliche Krise, die verhindert wurde — ein stiller Akt der Solidarität.


Echte Prävention bedeutet, alle Hindernisse zu senken, die zwischen Menschen und Gesundheitsvorsorge stehen. Wenn eine Regel verhindert, dass jemand Schutz erhält, dann muss diese Regel geändert werden. Gesundheitspolitik funktioniert nur, wenn Vertrauen, Zusammenarbeit und Empathie stärker sind als Bürokratie.


Wenn ich an jenen staubigen Schulhof in Nairobi denke — an Angst, Verlust und die Hoffnung danach — erinnert mich das daran: Prävention beginnt immer mit Menschen. Wir verfügen heute über Wissen, Werkzeuge und Beweise. Was uns oft fehlt, ist der Mut zu handeln — Barrieren zu beseitigen, zuzuhören und sicherzustellen, dass niemand zurückbleibt.

Darum:

💙 Ernähre dich gut.

💙 Bewege dich so oft du kannst.

💙 Schlafe ausreichend.

💙 Und wenn du es noch nicht getan hast — lass dich impfen.

Hinter jeder Spritze, jedem Check-up und jeder überarbeiteten Regel steht die Geschichte eines geliebten Menschen. Echte Fürsorge bedeutet, niemanden zurückzulassen — weder durch Bürokratie noch durch Gleichgültigkeit. Echte Gesundheit beginnt, wenn Prävention zu unserer gemeinsamen Geschichte wird.

 

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